Der direkte Draht zur Polizei ist die 110. Menschen in einer Notsituation haben diese Kombination instinktiv parat. „Doch warum genau bilden diese drei ohne Zweifel gut einprägsamen Ziffern die bundesweite Polizeinotrufnummer?“ Wer diese Frage in seinen Browser eintippt, muss auf dem Weg zur Antwort einiges an Geduld mitbringen. Wir geben hier eine amtliche Antwort und zeigen bei dieser Gelegenheit auch, wie jung der Notruf tatsächlich ist. Unser Dank gilt an dieser Stelle zudem einem hartnäckigen Ehepaar …
Notrufe sind kein Kinderkram
Wer den polizeilichen Notruf nutzt, so die Überlegung, tut dies aufgeregt, vielleicht sogar mit Angst im Nacken, zumindest aber in einem Moment großer und unüblicher Anspannung.
Es galt also eine Kombination zu finden, die in einer solchen Ausnahmesituation unproblematisch und schnell zu wählen war – vor allem mit Blick auf die damals eher unhandliche Wählscheibe. Zwei Einsen und als letzte Ziffer eine Null schienen als Kombination denkbar gut. Aber wäre die 111 nicht noch bequemer gewesen? Wahrscheinlich schon: Aber dreimal die Eins – das bot echtes Fehlalarm-Potenzial. Gerade wenn Kinder am Apparat spielten.
Die Hunderter-Nummern vor der 110 schienen übrigens keine ernsthafte Option zu sein. Genauer gesagt waren sie ohnehin seit den 1930er-Jahren vergeben. Wer beispielsweise die 102 wählte, landete bei einer Art zentraler Störungshotline. So erstaunlich es klingen mag: Der Polizei- und auch der Feuerwehrnotruf sind im Vergleich dazu verhältnismäßig junge Services.
Beharrliches Paar mit tragischem Schicksal
Dass sie heute überhaupt jeder und jedem zugänglich sind, verdanken wir in erster Linie dem unermüdlichen Einsatz eines Ehepaars aus dem schwäbischen Winnenden. Ute und Siegfried Steiger mussten 1969 einen schweren Schicksalsschlag verkraften. Im Alter von acht Jahren starb ihr Sohn Björn bei einem Verkehrsunfall. Er erlag nicht seinen Verletzungen, sondern einem Schock, durch den seine Atmung aussetzte. Björns Tod hätte wohl verhindert werden können, wäre bis zum Eintreffen des Krankenwagens nicht eine Stunde vergangen. Wie die Steigers herausfinden sollten, war das schier endlose Warten auf Hilfe kein Einzelfall.
Zu damaliger Zeit gab es noch keine Notrufsäulen. Einheitliche Notrufnummern existierten nur in wenigen Großstädten. Wer Hilfe brauchte musste die Nummer der nächsten Polizei wissen oder im Telefonbuchbuch nachschauen.
Fortan kämpfte das Ehepaar dafür, die deutsche Notfallhilfe zu revolutionieren. Ein wichtiger Teil dieses Engagements: die bisher nur spärlich in einigen Großstädten geschalteten 110 und 112 überall im Land verfügbar zu machen. Tausende Briefe sandten sie an Politiker, Unsummen von Geld investierte ihre Björn-Steiger-Stiftung in den Kampf für mehr Sicherheit. Am 23. September 1973 war es dann soweit: Die bundesweite Einführung von 110 und 112 wurde beschlossen. Bis zur finalen Umsetzung sollte es indes noch acht Jahre dauern.
Wenige Tage vor dem Beschluss hatte Siegfried Steiger spätabends einen Anruf erhalten. „Ich darf Ihnen sagen: Ihr Dickschädel hat sich durchgesetzt. Wir haben den Notruf beschlossen“, sagte der damalige Bundespostminister Kurt Ehmke zu Siegfried. Er sagte es sicher nicht ohne Anerkennung.
So danken wir der Familie Steiger, die mit Ihrem unermüdlichen Engagement allen Bürgerinnen und Bürgern einen schnellen Draht zur Polizei ermöglicht hat.